Mein Leben mit einem Sternenkind
“Ich spürte einen Druck nach unten, dachte mir im ersten Moment nicht viel dabei. Ich verlor mein Kind und die Ärzte fanden dies nicht schlimm.“
Interview zwischen Christine und Franziska.
Christine: Franziska hat sich bereit erklärt, über Ihr Sternenkind zu sprechen. Ich war bei diesem Interview teilweise sehr geschockt, wie Ärzte und Hebammen mit Ihr umgegangen sind. Ich danke Franziska sehr, dass Sie sich für dieses Interview entschieden hat und sehr ehrlich war.
Christine: „Danke Franziska für das Interview. Möchtest du dich kurz vorstellen?“
Franziska: „Ich bin Franzi, 26 Jahre alt und komme aus dem schönen Niederbayern.
Christine: „Wie geht es dir aktuell Franzi?“
Franziska: „Mir geht es momentan sehr gut.“
Christine: „Das freut mich zuhören. Was hat dich am meisten bewegt, als du deinen Sohn leider tot geboren hast?“
Franziska: „In dem Moment, als ich erfahren habe, dass mein Sohn nicht mehr lebt, konnte ich es nicht glauben. Meine Mutter hat es mir gesagt, nachdem ich aus der Narkose erwachte. Sie musste mich anschreien, weil ich es einfach nicht glauben konnte. Als ich meine Schwester sah, wusste ich, dass es stimmt. Der Blick auf meinen Sohn versetzte mich in Freude. Gleichzeitig war da ein unglaublicher Schmerz, der schwer zu beschreiben ist. Die Tage danach war ich einfach leer.“
Christine: „Ich kann mir gar nicht vorstellen, was dies für eine Art Schmerz sein muss. Du hast dich auf deinen Jungen gefreut und nun war er da, aber nicht am Leben. Es tut mir leid. Wann hast du deinen Sohn geboren?“
Franziska: „In der 37. SSW am 03.06.2015.“
Christine: „Haben dich deine Ärzte gut beraten? Wie sah es mit dem Personal allgemein aus? Waren sie für dich da?“
Franziska: „Ganz ehrlich, Nein. Die Aussage der Ärzte war „Ja, kann mal passieren“. Meine Hebamme war sichtlich genervt und sagte: „Schon wieder die, da ist ja eh wieder nichts.“
Christine: „Es hat mich sehr aufgewühlt und geschockt dies so zu hören. Ich habe leider tatsächlich schon mehrmals gehört oder aber auch gelesen, dass es für einige Ärzte oder sogar Hebammen einfach zum Alltag dazugehört und schnell abgetan wird. Hattest du Anzeichen, dass etwas nicht in Ordnung war in deiner Schwangerschaft?“
Franziska: „Ja, ich hatte einen starken Druck nach unten, dachte mir allerdings im ersten Moment nichts.“
Christine: „Wie hat sich dieser Verlust auf deine Partnerschaft ausgewirkt?“
Franziska: „Wir haben uns 1,5 Jahre danach getrennt.“
Christine: „Weshalb habt ihr euch getrennt? Wie seid Ihr mit dieser schweren Situation umgegangen?“
Franziska: „Wir haben uns getrennt, weil wir beide nicht damit klargekommen sind. Er wollte einfach weiter machen mit seinem Leben und ich konnte es einfach nicht.“
Christine: „Es war sicherlich nicht leicht, erst den Verlust deines Sohnes zu akzeptieren und dann auch noch deinen Partner durch eine Trennung zu verlieren. Wie hat dich dein Sternenkind verändert?“
Franziska: „Ich bin stärker, aber auch emotionaler geworden. Ich versuche jeden Augenblick zu genießen.“
Christine: „Möchtest du mir den Ablauf deiner Geburt beschreiben?“
Franziska: „Mein Sohn starb an einem Mittwoch. Ich war das Wochenende davor schon mal im Krankenhaus wegen vorzeitiger Wehen. Diese Wehen haben die Ärzte einfach weggespritzt. Sie sagten mir, Sonntags würden Sie meinen Sohn per Kaiserschnitt holen, da die Herztöne nicht in Ordnung waren, sie taten es aber nicht. Montags haben sie mich dann entlassen. Am 03.06.2015 hatte ich einen Frauenarzt-Termin, diese meinte, es würde alles gut aussehen und der Muttermund wäre schon bei 3 cm. Wir vereinbarten für die Woche darauf einen Termin zum Kaiserschnitt. Ich war am Ende meiner Kräfte und konnte nicht mehr. Die Frauenärztin meinte noch, ich solle mich am Wochenende viel bewegen. Ich war an diesem Tag mit meiner Schwester und meiner kleinen Nichte am Badesee. Mein damaliger Freund und meine Mutter haben sich uns angeschlossen. Wir waren ungefähr 2 Stunden dort, als ich merkte, es stimmt irgendwas nicht. Ich hatte einen sehr starken Druck nach unten. Nach dem Baden waren wir noch einkaufen, ich dachte wie gesagt, es ist alles normal. Der Druck wurde immer stärker. Ich meldete mich bei meiner Schwester und erzählte Ihr von diesem Druck. Sie sagte, dass es normal sein kann, wenn ich aber unsicher bin, soll ich doch lieber ins Krankenhaus. Als ich auf dem Sofa lag, platze meine Fruchtblase. Meine Mutter fuhr mich nach meinem Anruf ins Krankenhaus. Ich wurde in den Kreißsaal gebracht, die Hebamme sagte: „Schon wieder die, da ist doch eh wieder nichts.“ Als die Hebamme nach meinem Muttermund schaute, ist das Blut herausgespritzt. Mein Muttermund war 10 cm offen, endlich legte sie mir auch mal das CTG an. Die Herztöne meines Sohnes waren nicht mehr zu sehen. Ich fing an zu weinen und sagte nur noch „Schatz“. Trotz starker Schmerzen musste ich mich selbst ausziehen. Die Ärzte sagten nebenbei, sie können nicht mehr auf den Narkosearzt warten. In diesem Moment schrie ich nur noch: „Holt mein Kind jetzt heraus!“ Danach war ich weggetreten und wachte erst im Aufwachraum wieder auf. Ich fragte einen Pfleger, was mit meinem Kind ist, wo er ist und wie es ihm geht. Eine Antwort bekam ich nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam meine Mutter mit den Worten: „Er ist bei seinem Papa, hat es aber leider nicht geschafft.“ Als ich auf der Intensivstation war, brachte man mir endlich meinen Sohn. Er war das Schönste, was ich je gesehen habe. Ich durfte 4 Stunden mit ihm kuscheln, dann wurde er mir von der Hebamme genommen und weggebracht. Der Pfarrer kam am nächsten Tag, weil ich unbedingt noch eine Taufe wollte. Der Pfarrer wollte dies leider nicht, dadurch wurde er nur gesegnet.“
Christine: „Franziska, mir fehlen die Worte. Du hast wahnsinnig leiden müssen, nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Sehr schade, dass der Pfarrer ihn nicht noch taufen wollte. Welche Gedanken/Gefühle hast du heute noch für deinen Sohn?“
Franziska: „Ich liebe und vermisse ihn, dies wird auch immer so bleiben. Ich hoffe einfach, dass es ihm da, wo er jetzt ist, gut geht.“
Christine: „Hast du mehr Kinder?“
Franziska: „Ich wollte eigentlich erst mal keine Kinder mehr. Allerdings wurde mir sehr schnell bewusst, dass ich nicht ohne kann. Nach 3 Jahren habe ich meinen jetzigen Mann kennengelernt und mit ihm habe ich 3 wundervolle Kinder. Meinen (Stief-)Sohn Alessandro, er wird 9 Jahre. Mein Folgewunder Emilio, er ist 5 Jahre und meine kleine Prinzessin Emma, Sie ist 6 Monate.
Christine: „Sehr schön, dass du dich trotz diesem Schicksal für weitere Kinder entschieden hast. Ich freue mich auch für dich, dass du einen Mann kennengelernt hast und glücklich bist. Wie geht es dir jetzt aktuell?“
Franziska: „Mir geht es besser. Eine Zeit lang ging es mir gar nicht gut. Nun bin ich froh, so eine tolle Familie zu haben.“
Christine: „Hast du für andere Mütter, Väter usw. einen Rat, wie sie sich in so einer Situation verhalten sollen?“
Franziska: „Lasst die Trauer raus und lasst euch von keinem reinreden. Ich habe mir leider bei der Beerdigung reinreden lassen und bereue es sehr.“
Christine: „Liebe Franziska, danke für das Interview. Ich war teilweise sehr schockiert, wie mit dir und deinem Sohn umgegangen wurde. Du bist eine starke Frau und hast es geschafft, aus diesem Loch hinauszukommen. Du hast eine tolle Familie, die hinter dir steht. Ich werde an deinen Sternensohn denken.“