Sternenwege – ein Interview mit Hannes!

Hand in Hand für Sternenkinder mit Hannes, dem Gründer von „Sternenwege“

Heute möchten wir dir einen ganz tollen Menschen und Podcaster vorstellen, nämlich Hannes Pahl. Er ist 34 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in der Nähe von Hamburg. Hannes hat einen besonderen Weg eingeschlagen, um mit seiner Trauer umzugehen und gleichzeitig anderen Betroffenen zu helfen. Diesen möchten wir dir heute im Rahmen dieses kleinen Interviews gerne vorstellen.

Frage: Lieber Hannes, wir vom Verein Herzenssache – Nähen für Sternchen und Frühchen e.V. haben vor Kurzem einen Aufruf gestartet, indem wir unsere Community gebeten haben, ihre Geschichten zu erzählen. Wir haben uns sehr gefreut, dass du dich auf unseren Aufruf hin gemeldet hast und freuen uns dich und dein Projekt heute unseren Lesern vorstellen zu dürfen! Aus welchen Beweggründen hast du dein Projekt „Sternenwege“ gegründet?

Hey, zuerst einmal vielen lieben Dank, dass ich meine Geschichte mit Dir, dem Verein und Eurer Community teilen darf.

So gerne ich Dir und Euch diese Frage kurz und knapp beantworten wollen würde, umso mehr muss ich Euch enttäuschen, dass dies nicht möglich ist. Ich werde also etwas ausholen müssen.

Angefangen hat alles irgendwie im August 2022, als bei unserer Tochter Lou in der 30. Schwangerschaftswoche kein Herzschlag mehr festgestellt werden konnte. Ein Moment in dem meine Welt stehen geblieben ist. Dass Lou mein Leben ohnehin nachhaltig verändern würde, war mir von Tag 1 der Schwangerschaft klar. Dass sie es jedoch in diesem Ausmaß und auf diese Art und Weise „anstellen“ würde, ist mir unter anderem erst knapp 2 – 2,5 Jahre später bewusst geworden.

Im September 2024 hat sich bei mir eine stark ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung gezeigt (PTBS). Während ich versucht habe diese zu ver- und bearbeiten, habe ich viel recherchiert. Vor allem habe ich hierbei nach Berichten anderer Väter gesucht, um zu verstehen, ob mein Verhalten und mein Zustand normal sind. Diese Suche hat sich verdammt kompliziert dargestellt. Einer meiner einzigen Anlaufpunkte war das Buch „Die vergessene Trauer der Väter“ aus dem Jahr 2008.

Daraus entstand gewissermaßen in meiner dunkelsten Zeit der Drang etwas tun zu wollen, zu müssen. Spenden war an dieser Stelle keine Option. Denn ich wusste, dass ich nicht genug Geld besitze, um so viel spenden zu können, so dass ich mich danach gut fühlen würde. Außerdem spürte ich in mir das Verlangen etwas zu tun, um all unseren Kindern und deren Vätern gerecht zu werden. Den Vätern da draußen zu zeigen, dass es okay ist, über Gefühle zu reden, sich zu zeigen. Keine Tabus. Nur Gefühle und Emotionen. Etwas, das in der breiten Masse der Gesellschaft womöglich als Schwäche gesehen werden würde, aber das ganze Gegenteil davon ist! Dass wir aus dem Schatten treten, den wir bis dato für Licht gehalten haben.

Sich seiner eigenen Gefühle und Emotionen bewusst zu werden und zu sein, ist ein verdammt großes Gut.

Von da an stand nur noch die Frage im Raum: Welche Form soll das Projekt haben? Hierzu habe ich dann eine Umfrage gestaltet und in mir bekannten Kreisen geteilt, um einen Überblick zu erhalten, ob Betroffene, Mitfühlende und Interessierte sich ein bestimmtes Medium wünschen würden (Blog, Podcast, Social Media).

Der Podcast war jedoch von Anfang an meine Priorität – denn Reden liegt mir im Blut und meiner Stimme wird oft etwas Beruhigendes attestiert. Der Instagram-Auftritt ist hierbei die Ergänzung, um das Netzwerk aufzubauen und mit möglichst vielen verschiedenen Menschen in Kontakt zu kommen. Mittlerweile gibt es auch den zugehörigen Blog. Als Anlaufstelle für diejenigen, die es emotional nicht verkraften einen Podcast zu hören und als Ergänzung für diejenigen, die nach einem Podcast noch Dinge nachlesen wollen.

Frage: Sternenpapas leiden leider häufig im Hintergrund, es ist sehr wichtig, dass auch sie die Möglichkeit haben, mit ihrer Trauer offen umzugehen. Was würdest du anderen Vätern in dieser Situation raten?

Grundsätzlich ist erst einmal festzuhalten, dass Männer und Frauen total verschieden trauern. Die Gründe dafür sind so vielfältig und individuell wie wir Menschen untereinander.

Für die meisten Männer dürfte das wichtigste Take Away erst einmal sein, mindestens untereinander – also mit anderen Männern – darüber zu reden. Wenn Dir, als Vater, dies nicht leicht fällt, dann schreibe deine Gedanken wenigstens auf. Sorge irgendwie dafür, dass die Gedanken deinen Kopf verlassen können. Und nein, der Karton, den Du in die hinterste Ecke deiner Gedanken schiebst, gehört nicht dazu.

Ich würde mir wünschen, dass es unter uns Männern das normalste der Welt ist, über unsere Gefühle zu reden. Sich an der Schulter der Partnerin oder des Partners anzulehnen. In der Öffentlichkeit – für jeden sichtbar – zu weinen. Dass wir uns von dem Stereotyp nachhaltig entfernen können, immer das Alphatier sein zu müssen. Aufhören zu denken, dass ohne uns alles zusammenbricht.

Ich rate Dir also, dass Du wahlweise über deine Gefühle sprichst oder schreibst und dich davon distanzierst, dass Du der alleinige Schutzwall für alle sein musst. Auch Du darfst einen Schutzwall haben und Dich hinter diesem verstecken. Beschützt euch gegenseitig! Es ist okay, wenn Dein Leben in dieser Zeit nicht auf der Überholspur, sondern auf dem Standstreifen stattfindet. Entschleunige dich.

 

Frage: Gibt es bestimmte Rituale, die du etabliert hast, um mit dem Verlust deines Kindes besser umgehen zu können?

Ich habe tatsächlich viele Rituale ausprobiert. Egal ob es die Briefe an Lou sind, die ich hin und wieder schreibe, ob es der Kontakt mit dem Baum ist, an dem sie beigesetzt wurde, ob es der Talk mit ihr in Gedanken ist.

Das für mich wichtigste Ritual ist jedoch Musik. Ich habe bestimmte Tracks, die für mich mit Lou oder den zugehörigen Gefühlen in Verbindung stehen. Die Musik hilft mir dann entweder meine positiven Gefühle zu kanalisieren, meine negativen Gefühle zu befreien, die Tränen zum fließen zu bringen, meine Emotionen auszudrücken.

Musik ist für mich mehr als nur ein paar Töne, wahlweise mit ein paar Worten. Es ist für mich Expression. Ich habe so viele Tracks in meinen Playlisten, die für mich in verschiedenste Situationen passen, weil die Texte darin oder die Sounds Interpretationsspielraum zulassen und somit „multi-emotional“ sind. Gibt es dieses Wort? Egal, jetzt schon!

Frage: Du hast einen eigenen Podcast zum Thema „Sternenkinder“. Möchtest du unseren Lesern diesen kurz vorstellen?

Was für eine Frage. Ja, ich will! Oh, falscher Kontext, oder? Egal, nevermind.

Direkt zu Anfang möchte ich festhalten, dass der Podcast sich gar nicht mal konkret um das Thema „Sternenkinder“ dreht, sondern um diesen ganzen Kosmos drum herum. Jeder der mit diesem Thema mal in Berührung gekommen ist, weiß, dass wir hier über ein „Rabbit Hole“ sprechen – wie ich es gerne nenne. Zu Anfang ist da einfach eine große Dunkelheit und Du bist für jedes Licht in dieser Dunkelheit dankbar. Oder wie wir es im Rahmen unserer bald kommenden Special Reihe zu Hilfsangeboten nennen: „Leuchtfeuer“.

Als ich das Konzept für den Podcast entworfen habe, war das Ziel meine/unsere Geschichte zu erzählen und vor allem anderen Vätern eine Anlaufstelle zu bieten. Einen Ort zu erschaffen, an dem sie sich gehört und verstanden fühlen.

Plötzlich während dieser Phase ergab eine Idee die andere. Es entstand der Wunsch, dass ich mich mit so vielen Menschen wie möglich unterhalte. Egal ob Experten, Betroffene oder Mitfühlende.

Ich glaube bereits nach der zweiten Folge habe ich interessante Profile auf Instagram kontaktiert und angefragt, ob Interesse besteht, sich mit mir im Rahmen des Podcasts auszutauschen und die Resonanz, die ich da erhalten habe, war total überwältigend. So ein großes Mit- und Füreinander! Phänomenal. Mein Herz wurde erfüllt mit Liebe und Freude und ist es immer noch.

Also lass es mich abschließend so formulieren: wenn Du Erfahrungsberichte hören willst, gerne mehr über etwaige Hilfsangebote erfahren möchtest und/oder dich für Mental Health und Achtsamkeit interessierst, bist Du bei Sternenwege genau richtig. Wir beleuchten jeden Fleck und das mit möglichst vielen verschiedenen Blickwinkeln und Sichtweisen.

Wenn Du diesen Weg aktiv unterstützen möchtest, teile den Podcast gerne mit anderen, die ihn unbedingt hören sollten und/oder potentiellen Gästen, die Du gerne im Podcast hören wollen würdest.

 

Frage: Was ist für dich die größte Herausforderung beim Betreiben eines Podcasts zu diesem sensiblen Thema?

Die größte Herausforderung liegt hierbei im Publikum. Du weißt nie, in welcher Phase bzw. Verfassung Du den Zuhörer erwischst. Je nachdem können gewählte Worte anders aufgefasst werden. Worte können mehr oder weniger emotionalisieren.

Aus diesem Grunde habe ich im Intro des Podcasts einen festen Disclaimer etabliert, den ich hier gerne einmal zitiere:

„Wir sprechen über Trauer, Verlust und Hoffnung – Themen, die tief berühren können. Wenn du merkst, dass es dir schwerfällt, hör dir diese Folge vielleicht mit einem lieben Menschen an. Gemeinsam ist man stärker.“

Hinzu kommt, dass ich mein Herz auf der Zunge trage und die Worte teilweise einfach herausposaune, wie sie mir in den Kopf schießen. Gleichzeitig bin ich aber hoch emphatisch und nichts liegt mir ferner, als Menschen mit diesen Worten zu verletzen. Daraus resultiert dann der Overthinker, der sich selbst nach der Veröffentlichung einer neuen Folge noch Gedanken darüber macht, ob ich das so sagen darf, wie ich es gesagt habe. Und dieses Konstrukt gipfelt dann in dem Willen mit getroffenen Aussagen zu polarisieren bzw. zu provozieren. Denn dadurch können Aussagen zum Nachdenken und Umdenken anregen. Und genau das ist es, was mir bei all diesen Themen immer wieder einfällt: wir haben noch verdammt viel Aufklärungsarbeit vor uns. Nicht in unserer Bubble, sondern außerhalb davon!

Zum Ende unseres Interviews darfst du gerne ein paar Worte oder Tipps an andere Sterneneltern richten! Wir danken dir sehr für die Zeit und wünschen dir ganz viel Erfolg mit deinem wahnsinnig wichtigen Projekt „Sternenwege“!

Hey, ich möchte Dir gerne sagen, dass dort draußen immer irgendwo ein Leuchtfeuer in der Nacht ist. Egal wie dunkel es gerade um dich herum ist, das ist nicht für immer! Lerne die Dunkelheit zu akzeptieren, denn auch die längste Nacht geht irgendwann vorüber! Die Nacht und die Dunkelheit gehören zu unserem Leben dazu. So wie auch der Tag und die Sonne. Das eine kann nicht ohne das andere existieren. Wo Licht ist, ist auch immer Schatten. Die Trauer wird dein ständiger Begleiter sein. Mache sie nicht zu deinem Feind. Mache sie zu deinem Freund. Lasse sie der Zündfunke deiner Hoffnung sein. Denn Hoffnung bedeutet Licht, Licht bedeutet Liebe und Liebe bleibt für immer! Genau wie das Licht. Also auch die Hoffnung.

Hier findest du alle wichtigen Links zu meinem Podcast und weiteren Seiten, ich freue mich auf deinen Besuch: Sternenwege | Instagram, TikTok | Linktree